Eine Replik auf Petra Sammer und Klaus Kocks - Ich muss zugeben, ich habe sowohl das Spiegel online- als auch das Zeit-Interview mit Klaus Kocks mit einem gewissen Vergnügen gelesen. Klar macht Kocks mit seinen Bekenntnissen PR für sich selbst. Er wirkt wie eine desillusionierte Edelnutte, die ihren Zynismus dank eines ambitionierten Interviewers auf eine feuilletonistische Spitze treiben darf. Mal platt, mal geschraubt über die Banden mehrerer Meta-Ebenen gespielt, oft von der eigenen Wichtigkeit berauscht. PR-Kabarett. Damit könnte man es belassen und zum Alltag übergehen – oder aus ganz anderen „Bekenntnissen“ eines wirklich großen Aufklärers (Jean-Jacque Rousseau, 1770) zitieren: „Beleidigungen sind die Argumente derer, die unrecht haben.“ Von Rousseau stammt auch der schönste PR-Satz zum Thema Menschheit: „Der Mensch ist von Natur aus gut, er liebt Gerechtigkeit und Ordnung.“
Ich denke, dass die PR-Branche einen Kocks aushalten muss. Auf den Vorwurf, dass er das Branchenbild verzerrt und kaputt macht, stellt sich die Frage, warum dieses so leicht durch einen einzigen Menschen erschüttert werden kann.
Spannend ist, was der Rent a Brain-Spezialist von sich zwischen den Zeilen erzählt. Er scheint längst überdrüssig zu sein, Kommunikations-Analphabeten Raum in den Medien zu schaffen. Glaubt er doch, dass er die bessere Story hat, die bessere Rolle spielt, der bessere Zyniker ist.Das sei ihm nach langer, gut vergoldeter Konzernfron gegönnt, in der er als Instrument des Managements wohl Situationen erlebt hat, die Szenen aus Kafka-Romanen und Dürrenmatt-Stücken (Die Physiker) harmlos erscheinen lassen.
PR, wie Petra Sammer sie versteht, wie ich aus ihrem Beitrag lese, ist hingegen viel mit Respekt vor dem Kunden, vor Produkten, Leistungen, Themen - und vor den Multiplikatoren und dem Publikum durchdrungen. Diesen Respekt, der in der realen Welt von PR und Werbung leider nicht immer anzutreffen ist, verweigert Kocks zumindest Branche und PR-Kunden, um seinem Publikum dennoch Respekt zu erweisen - er unterhält es. Neben zweifelhaften und leicht falsch zu verstehenden Aussagen wirft er aber auch Thesen in den Raum, über die man diskutieren kann. Vielleicht war das sogar von ihm beabsichtigt. Und er gibt auf die Ethik-Frage (Gutes tun? Grönland vom Eis befreien.) eine Antwort, die für mich eher die Absurdität der Frage im Kontext des Interviews unterstreicht. Natürlich ging es dem Spiegel-Kollegen auch um polarisierende Effekte. Was soll Kocks in seiner hochgespielten Kommunikationsschänder-Rolle sagen? Ich kaufe Ablassbriefe von Benedikt? Ich schicke Geld nach Afrika.
Nein, er steht dazu, dass er der Mann Between ist, der Schattenmann, ein Instrument von Managern und Apparaten, die so sind wie sie sind. Dennoch spielt er natürlich auch den Gutmenschen: Bei so viel Lug und Trug in der Welt kann ich ruhig die Wahrheit über mich und zum Schaden meiner Branche, die oft noch dümmer und schlechter ist als ich, verkünden. Desillusionierung als Wahrheit. Damit bin ich weiter und aufgeklärter, als jene Kommunikationsmenschen, die an das Gute ihrer Arbeit glauben. Kocks scheint innerlich daran zu kranken, dass er keiner ist, der die Welt verändert, sondern lediglich für Interpretationen, Kosmetik, Perspektivewechsel zuständig ist, damit die Botschaft richtig ankommt.
Diskutieren sollte man tatsächlich, ob die Erwartungen der Öffentlichkeit auf leicht erinnerbare, einfache Rollen in Wirtschaft und Politik bedient werden müssen. Wunderbar, wenn man das anders schafft und auf die authentische Qualitäten einer Person setzen kann. Angesichts der Masse der Dahergelaufenen, die sich in den Gesellschaftsspalten tummeln, scheint Persönlichkeit, Authentizität oder Wahrhaftigkeit keine Voraussetzung für öffentliche Wahrnehmung mehr zu sein. Inflation auch hier. Willkommen in unserer schönen World of Spam.
Dann doch lieber zu Homer und seinen Helden. Man muss Homer ja nicht unbedingt im altgriechischen Original lesen, deutsche Sagen á la Nibelungen tun es auch. Aber es kann nichts Schaden zu wissen, dass die alten Griechen eigentlich alle Grundmuster realer Tragödien der Menschen überliefert haben. Dennoch stolpern wir heute mehr denn je in tragische Rollen – auch wenn wir sie kennen. Selbst Kocks scheint diese Bestimmung als PR-Trojaner zu leben.
Ich stimme ihm zu, dass ein großer Teil des Publikums eine tradierte Rollenerwartung hegt, wie die Zahlen des Boulevards in Print und TV bestätigen. Allerdings – und für die unbeabsichtigten Anstoß bin ich ihm dankbar – stellt sich die Frage, ob man diese Erwartungen immer genau so erfüllen muss. Sind nicht eher Verweigerungen bestimmter Rollenmuster oder Ausbrüche aus ihnen angesagt (oft würde auch schon eine positive Handlung genügen, die für sich spricht)? Aus Respekt vor der Öffentlichkeit – und vor dem PR-Kunden. Man muss ja nicht gleich Grönland vom Eis befreien. Das erledigt sich eh in 100 Jahren von selbst.
Roland Keller