Am 5. Juli 2006 wird Sten Franke, Geschäftsführer von Ethority und Gridpatrol, auf dem Münchner Nextperts Breakfast im Hotel Anna einen Vortrag über Blog-Monitoring halten. Damit kann man sich frühzeitig über Online-Diskussionen in Blogs informieren. Was die Unternehmen davon haben, wird Franke nächsten Mittwoch konkret erläutern. Das nehmen wir gerne zum Anlass, den Experten zu diesem Thema näher zu befragen. (Anmeldungen sind noch bis Dienstag möglich, allerdings gibt es nur noch wenige Plätze).
>> Laut neuesten Untersuchungen informieren sich rund 95 Prozent der Onliner im Web vor einer Kaufentscheidung über Produkte und Unternehmen. Was bedeutet das heute für Unternehmen? Kümmern sich diese ausreichend um ihr Online-Erscheinungsbild?
Nein, denn das Erscheinungsbild geht über Website und Online-Werbung weit hinaus. Das ist eine Tatsache, die noch zu oft ignoriert wird. Sicherlich steigen die Budgets für E-Mail und Suchmaschinen-Marketing kontinuierlich an, da hier der ROI am einfachsten bewertet werden kann. Der Effekt dieser Maßnahmen ist aber nicht nachhaltig genug und meist nur punktuell auf eine Kampagne bezogen. Die Erkenntnis, dass 95% vor einer Kaufentscheidung das Web konsultieren, bezieht sich natürlich auch auf den Kauf in einem Ladengeschäft.
Daher wundert es mich, dass nur wenige Unternehmen auf eine ganz neue Art von Marketing setzen, die in den USA schon als Revolution gefeiert wird. Dort ist die Entwicklung nachhaltiger Online-Parameter wie digitale Identität, digitale Reputation und daraus resultierend natürlich „Word of Mouth“ ein wichtiger Marketing-Ansatz. Also wieder die gute alte Mundpropaganda, die heute über Blogs, Foren und Social Software (CGM – Consumer Generated Media) von jedem einzelnen Konsumenten verbreitet wird. Mit diesen Elementen wird die Wahrnehmung von Marken entscheidend gestaltet und beeinflusst. Im Produkt- und Servicebereich sprechen wir in diesem Zusammenhang auch von Empfehlungsmarketing – C2C – Word of Mouth Marketing. Zukünftig ein entscheidender Bestandteil im (Online) Marketing Mix, denn jeder zweite Kauf wird durch eine Empfehlung beeinflusst, sowohl online als auch offline.
>> Viele Blogger setzen sich in ihren Blogs kritisch mit Dienstleistungen, Produkten und Unternehmen auseinander. Wie sollten Unternehmen damit umgehen?
Am Anfang steht natürlich immer die Beobachtung und Analyse des Marktes. Gibt es Aktivisten oder Meinungsmacher, was sind die Ambitionen, wie sind sie vernetzt, welche Kommunikationskanäle werden neben Blogs noch genutzt etc.? Abhängig von dem Ergebnis lassen sich daraus Strategien und Handlungsalternativen für die eigene Kommunikation ableiten. Gerade in jüngster Zeit gibt es ja viele neue Ansätze z.B. aus der Automobilindustrie - BMW lädt Blogger zur IAA ein und Opel gibt seinen neuen Astra einigen Bloggern zum Probefahren. Andere Unternehmen wie O2 eröffnen mit einigen themenspezifischen Blogs die direkte Blog-Kommunikation mit einer Zielgruppe. Es gibt also unterschiedlichste Möglichkeiten im Umgang mit der Blogosphäre.
Ich befürworte allerdings eine nachhaltige und offene Kommunikation über den eigenen Blog oder über Kommentare in anderen Blogs. Sofern die Kommunikation ein „Gesicht“ bekommt, kann man auch als Unternehmen bei kritischen Blogbeiträgen mit Einsicht, Verständnis und Handlungsvorschlägen in der Blogosphäre punkten. Fehl am Platz sind jedoch kontroverse Diskussionen und individuelle Aktivisten-Aktionen.
>> Wie wichtig ist es überhaupt, sich über die Online-Suchergebnisse zu informieren? Werden kritische Äußerungen im Web überhaupt vorgenommen?
Ob kritisches oder positives Feedback – das Web (Blogs, Foren etc.) bietet enorme Chancen und vergisst nichts – egal ob wahr oder falsch. Ein wichtiges Instrument ist die systematisierte Beobachtung der Blogs, um die Reaktionen, Kommentare auszuwerten und dann den Dialog aktiv führen zu können. Wenn z.B. Don Dahlmann in seinem Blog über die Opel-Astra Test-Aktion schreibt: „Tatsächlich bin ich, vor allem wegen der zum Teil unnützen Diskussion am Anfang überhaupt nicht dazu gekommen, mit dem Wagen was zu unternehmen und darüber zu schreiben.“ Dann scheint es zunächst wenig effizient, Blogger als Beta-Tester einzusetzen, um positiven Buzz zu produzieren. Vor allem die „Diskussionen am Anfang“ waren es, die dieser Kampagne eine eher negative Wahrnehmung beschert haben.
Die genannten Beispiele zeigen, dass es keinen Königsweg gibt. Um die richtige Strategie zu finden, ist es wichtig viele Faktoren einzubeziehen und nicht zuletzt die Eigen- und Fremdwahrnehmung des Produktes oder Unternehmens zu analysieren und mögliche Szenarien im Vorfeld zu planen.
Wir erarbeiten für unsere Kunden in Einzelfällen forensische Kurz-Analysen und Interpretationen in Bezug auf besonders auffällige Blogpostings oder Kommentare und nutzen auch die gesammelten Erfahrungen – die durch unser Branchen-, Kultur- und Sprach-übergreifendes Monitoring sehr facettenreich sind.
Bei der Auswertung von Blogs und Foren generieren wir schneller und gezielter eine Masse an authentischen Meinungen, die keine herkömmliche Marktstudie bzw. Befragung unter gleichen Aufwendungen bereitstellen kann.
>> Das dürften Marktforscher bestreiten. Wie begründen Sie diese Behauptung?
In der Regel beruht deren Methodik auf Befragungen, die beispielsweise in Fußgängerzonen durchgeführt werden. Dabei wird den Befragten suggeriert, dass eine Umfrage nur wenige Minuten dauert. Und dann wird für das Interview aber eine Stunde benötigt. Das führt zu einer hohen Fehlerquote, weil man doch von den Fragen ablenkt ist. Online sieht das anders aus. Dort werden oftmals sehr persönliche Dinge geäußert, weil das Internet sehr viel anonymer ist. Unsere Ergebnisse sind eigentlich sogar authentischer als diejenigen, die für die Marktforschung in der realen Welt durchgeführt werden. Andererseits ist unsere Analyse sicher nicht ganz repräsentativ. Doch meiner Meinung sind die Emotionen, die mit Marken verbunden werden, wichtiger. Man erhält sehr viel weiter gehende Informationen und komplett neue Eindrücke, weil man methodische nicht nur auf einem Fragebogen angewiesen ist.
>> Sie bieten unter anderem auch Blog-Monitoring an. Wie muss ich mir das konkret vorstellen?
Wir betreiben eigene Server mit Spidertechnologien und Suchalgorithmen die auf Grundformen künstlicher Intelligenz basieren und anders als Stichwortsuchen, auch Zusammenhänge und Vernetzungen abbilden können. Wir nutzen hier den Vorteil, dass wir keinen Index aufbauen müssen, sondern ganz explizit zum Thema passende Ressourcen semantisch auswerten. Die gefundenen Ergebnisse werden priorisiert (Aktualität, Tonalität, Quelle, Vernetzungsgrad etc.) und auch je nach Thema und individuellem Kundenbedarf kategorisiert bzw. durch unsere semantische Analyse segmentiert.
>> In welchen Branchen ist das Blog-Monitoring besonders gefragt? Können Sie einige Kunden nennen?
Es gibt sicherlich kaum eine Branche, die es sich leisten kann Blog- und Foren- Monitoring nicht zu betreiben. Ich kann soviel verraten, wir arbeiten für die größten Unternehmen der Bereiche: Internet, Mobilfunk, Handel, Finanzen, Versicherungen, Pharma, um nur einige Branchen zu nennen, aber auch für Mittelständler mit klassischen B2B Produkten, die wir im Bereich Produktpiraterie und Wettbewerbsbeobachtung unterstützen.
>> Nimmt die Nachfrage nach Blog-Monitoring zu oder lassen die bisherigen Blog-Krisen-Fälle die Unternehmen eher kalt?
Da die Medien viel über Blogs publizieren, ist das natürlich ein relevantes Thema für Unternehmen. In dem Augenblick, wenn sich die Manager konkret mit einem Issue auseinandersetzen, wollen sie mehr darüber erfahren und prüfen das Monitoring für sich. Inzwischen bemerken die Unternehmen, dass ihre Kunden bereitwillig ihre Meinungen zu Unternehmen und Produkte ins Netz stellen, die sich auswerten lassen.
>> Wie viele Unternehmen beschäftigen sich eigentlich in Deutschland bereits mit dem Monitoring-Thema? Ist das ein neuer Wachstumsmarkt?
Im deutschsprachigen Raum gibt es einschließlich Clippingservice rund 10 Anbieter im Markt. 70 – 80 Prozent davon machen Blog-Monitoring. Hingegen ist der Bereich Marktforschung noch völlig unterentwickelt. In den USA ist das der absolute Trend. So bauen Procter & Gamble und AC Nielsen ein eigenes Monitoring auf. Wir sprechen in der Regel mit den Top 1000 Unternehmen. Jedes Business, dass sich im Internet entwickelt, benötigt an für sich die Informationen. Immer mehr Menschen gehen in das Internet. Wo wird denn inzwischen eigentlich Meinung gemacht, wenn nicht in Blogs? Oftmals schreiben die Konsumenten über ihre Alltagserfahrungen und gehen dabei auch konkret auf einzelne Produkte ein.
>> In der Krisen-PR macht ein Monitoring sicherlich Sinn. Wie schätzen Sie die Möglichkeiten für das Reputation Management ein? Wie sollte man vorgehen, um bei einem Monitoring gute Ergebnisse zu erzielen?
Das Reputation Management hält sicherlich noch große Herausforderungen für die Unternehmenskommunikation bereit. Schon der Begriff der Reputation macht klar – hier geht es um die aktive Komponente bei Aufbau und Pflege der (digitalen) Identität, des Online-Images bzw. des „guten Rufs“ im Web. Dabei spielt insbesondere der Bereich Social Software eine wichtige Rolle. Basics sind beispielsweise die Google-Reputation. Ungeliebte Unternehmensdetails oder Insider-Infos, inoffizielle Bilder, Videos oder kritische Berichte finden sich oft auf den ersten Ergebnisseiten bei Google und der Suche nach Infos zur Marke oder zum Produkt. Es gibt einige gute Möglichkeiten und Methoden die eigene digitale Reputation auch in Google zu managen und noch zusätzliche Reputationsziele zu erreichen. Managen bedeutet hierbei: Ziele definieren, Planen, Entscheiden/Steuern und Kontrollieren, d.h. ein wichtiger Bestandteil des Reputation Management Prozesses ist die Kontrolle, also das Blog-Monitoring.
>> Es gibt einige kostenlose Monitoring-Lösungen, die sich für eine erste Analyse sicherlich eignen. Welche Vorteile bietet demgegenüber Gridpatrol? Welche Unterschiede gibt es hierbei? Wie sieht eine Auswertung bei Gridpatrol aus?
Sicherlich gibt es kostenlose Tools wie Feed-Reader oder Blogsuchmaschinen, aber auch Anbieter die ähnlich wie ein Clipping-Dienst für Pressemeldungen arbeiten und dies sogar zu einem sehr geringen Einstandspreis. Jedoch geht diese Art des Monitorings an der Bedürfnisstruktur jedes mittleren oder größeren Unternehmens vorbei. Der Ansatz geht meist nur soweit, dass eine Weblog-Suchmaschine mit ein paar Suchbegriffen abgefragt wird und die Treffer in einer Online-Datenbank ohne jede weitere Selektion und Priorisierung dargestellt werden.
Der Einsatz einer vollautomatisierten Monitoring-Lösung mit semantischer Ergebnisklassifizierung und Priorisierung sollte immer in Erwägung gezogen werden, da nach einer Setupphase schnell und zielgerichtet die relevanten Ressourcen vollautomatisch überwacht werden und bei entstehenden Themenkarrieren der Alarmierungs-Service sofort Meldung per E-Mail oder SMS gibt. Gridpatrol zeichnet sich vor allem auf das Monitoring aufbauende Services hinsichtlich der Ergebnis-Evaluierung und des Profilings aus. Hinsichtlich der Vorteile möchte ich auf unsere Website verweisen, in der viele Alleinstellungsmerkmale genannt werden.
>> Worauf sollte ein Unternehmen generell beim Monitoring achten?
1. Zieldefinition für das Monitoring.
2. Aufbereitung einer Begriffs- und Themenwelt - Fokussierung auf das Wesentliche
3. Auswahl der relevanten Web-Ressourcen
4. Ergebnisverdichtung und Auswertung
5. Optimierung der Begriffs-, Themen- und Webressourcen
>> Was haben Sie beim Monitoring Ihres eigenen Blogs gelernt?
Mit unserer Blog-Entwicklung sind wir sehr zufrieden. Durch unserer Konferenz-Blogging haben wir es geschafft durch eine hohe Linkpopularität unseren Pagerank von 0 auf 5 steigern können. Dadurch haben wir innerhalb von sechs Wochen ein gutes Google-Listing erreicht.
>> Wie sieht das Blog-Monitoring der Zukunft Ihrer Ansicht nach aus?
Vor dem Hintergrund, dass das Informationsvolumen weiter immens ansteigt, werden immer komplexere Ansätze für das Monitoring benötigt. Standards wie RSS oder das Tagging von Informationen machen schon vieles einfacher. Denken wir zum Beispiel an Videoblogs, so werden nur semantische Suchtechnologien, wie wir sie heute kennen, nicht ausreichen. Allein die Entwicklung im Bereich der Podcasts und Vodcasts macht es erforderlich, die Mehrdimensionalität und Vernetzung von Informationen zu berücksichtigen und auch mit Sprach-, Sound- und Bilderkennung zu arbeiten.
Sicherlich werden die meisten Unternehmen ein systematisiertes und professionelles Monitoring betreiben. Ich kann mir gut vorstellen, dass es das Berufsbild des Such-Agenten bzw. Web-Data-Analyst bald geben wird.
In jedem Fall wird ein Monitoring-System zur Standardausrüstung gehören, so auch der Einsatz künstlicher Intelligenz, um das Relevante von dem weniger Relevanten zu unterscheiden und mit hoher Genauigkeit Informationen segmentieren zu können.
>> Demnach rechnen Sie damit, dass Ihr Monitoring-Business in naher Zukunft wachsen wird. Wie sieht das konkret aus?
Über Ethority gewinnen wir viele Kunden für das Monitoring, weil viele Kunden ihre viralen Kampagnen unterstützen wollen. Bis Ende 2007 gehen wir von einem Umsatzwachstum von 100 Prozent aus. Zurzeit arbeiten wir bei Ethority und bei Gridpatrol mit insgesamt mit 28 Mitarbeitern. Wir sind zuversichtlich, dass wir im nächsten Jahr unseren Personalstamm mindestens um 50 Prozent ausbauen können. Den größten Markt sehe ich für uns auch in Übersee.
>> Süddeutsche Zeitung: Aufrüsten gegen die Internet-Piraterie
Klaus Eck