Gelten Blogger nicht schon manchmal als die neue Schreiberzunft des Webs, die jeden Artikel ihrer großen Journalisten-Brüder mit viel Liebe zum Detail zerreißen? Früher jagten Journalisten nach Informationen, anscheinend gehören einige von ihnen heute bereits zu den Gejagten, betrachtet man einige Watchblogs wie zum Beispiel das Bildblog. Jüngst hat die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche e.V. das Buch „Kopfjäger im Internet oder publizistische Avantgarde?" herausgebracht, in dem Matthias Armborst eine der ersten empirische Untersuchung zu Blogs und Journalismus im deutschsprachigem Raum vorgelegt hat.
Letztlich sieht Armborst Weblogs als Bereicherung der klassischen Medien an, die eine neue Entwicklung des emanzipierten Internet-Nutzers aufzeigen. Ersetzt werden könne der Internet-Journalismus jedoch durch Blogs keinesfalls. Ein solches Studienergebnis überrascht allerdings eigentlich wenig, wenn man sich die Ziele des Vereins Netzwerk Recherche ansieht, der sich besonders für den investigativen Journalismus in Deutschland stark macht.
Ein ganzes Kapitel widmet Armborst ethischen Fragestellungen zur Schreibe im Internet, wobei er zum Schluss kommt, dass die neuen Handlungsmöglichkeiten von Blogs eine angewandte Medienethik fordern, bei denen sich Blogger in erster Linie vor sich selbst verantworten müssen.
Die Umfrageergebnisse zeigen eindeutig, dass sich die wenigsten Blogger für Journalisten halten, und sich demnach nicht verpflichtet sehen, journalistische Qualitätsstandarts zu beachten. Durch das Ausbleiben einer internen Qualitätssicherung durch Redaktionsstatus bzw. Einhaltung des Pressekodex im traditionellen Journalismus wird die Qualität bei Blogs durch eine externe Qualitätsüberprüfung, z.B. das kritische Kommentieren durch andere Blogger, geregelt. Freiwillige Selbstkontrolle heißt hier das Schlagwort.
Weblogs können wertvolle und authentische Informationsquellen sein, dies gilt auch für die Recherche von professionellen Journalisten. Viele Blogger schreiben erfahrungsgemäß über Themen, die traditionelle Medien aus Zeitgründen zunächst nicht beachten. Erfolgreiche Blogger stehen somit im direkten Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der User, allerdings sind sie laut Armborst von der Qualität und Thematik der Beiträge nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu den herkömmlichen Medienangeboten zu sehen.
Wer als Journalist regelmäßig Blogs nach Informationen scannt, kann frühzeitig Meinungen und Trends der Internet-Öffentlichkeit aufspüren und in der eigenen Berichterstattung thematisieren. Hier geht Armborst sogar noch einen Schritt weiter. So bewertet er die Möglichkeit eines Journalisten sein eigenes Blog zu betreiben als Chance, das persönliche Profil zu schärfen. Jeder zweite befragte Blogger bezieht laut Studie seine Hauptmotivation aus der Interaktion mit seinen Lesern. Gerade für freie Journalisten kann es spannend sein, Diskussionen anzuregen und darüber seine persönliche Meinung zu verbreiten. Schließlich können sie sich auf diese Weise in der breiten Meinungslandschaft besser positionieren.
Unklar bleibt jedoch für mich, inwieweit die Grundlage der Studie groß genug ist. Es wurden insgesamt gerade einmal 184 Fragebögen von deutschen Bloggern ausgefüllt. Mehr als eine Stichprobe kann das angesichts von rund 250.000 Blogs im deutschsprachigen Raum eigentlich nicht sein.
>> Netzjournalist
>> Euroblog-Studie 2006
>> Proximity Studie
>> Matthias Armborst
>> Matthias Armborst: Das Buch
>> Netzwerk-Recherche:
Weblogs können den Journalismus bereichern, aber niemals ersetzen
Netzwerk Recherche veröffentlicht Studie zum Thema Blogs und
Journalismus
Verena Schmunk