Ist das Web 2.0 nur eine "Projektionsfläche für die Heils- und Totalitarismusphantasien einiger Egobooster"? Das meint zumindest SZ-Autor Alex Rühle. Er vernimmt einen "anschwellenden Bloggesang" sowie ein "heilshysterische Gerede von der im ¸¸Web 2.0" nun endgültig erreichten Graswurzeldemokratie" und fordert deshalb: "Macht also endlich Schluss mit dem mystischen Erlösungsgerede über das Internet!" Dabei weist er zurecht kritisch auf die Selbstreferenzialität der Blogger hin, die immer wieder über sich selbst schreiben.
Einen "akkumulierendem Weltgeist" kann er im Web 2.0 nicht ausmachen. Warum auch? Einen solchen gibt es ja ohnehin nicht. Rühle macht das Blog-Bashing sichtbar Spass. Doch so ermüdend, wie manche Heilserwartungen auch sein mögen, so ermüdend sind auch die Versuche einiger Journalisten, den Blog-Hype zu beenden. Natürlich wird vieles in der Euphorie einer Aufbruchsstimmung übertrieben und sind die Hoffnung einzelner Blogger groß, was das Thema Demokratisierung und Citizen Journalism angeht. Dennoch sollte niemand daraus falsche Schlüsse ziehen. Die Blogger werden ihren Teil des Medienkuchens erhalten, sich selbst aktiv einbringen und ihre Leser finden. Deshalb wird niemand den Journalismus als solches abschaffen wollen. Die Amateure werden die Profis nicht aus dem Paradies der Einbahnstraßenkommunikation vertreiben. Aber diesesModell hat sich im Internetzeitalter überlebt. Immer mehr Leser möchten heute ihre Sicht der Dinge ebenfalls ins Netz einbringen. Sie nutzen hierbei die interaktiven Möglichkeiten, die Blogs, Podcasts und vielleicht auch Vodcasts bieten und werden selbst zu Medienproduzenten. Ihr Mitteilungsbedürfnis erklärt den Erfolg der Blogs, die von der Vielfalt ihrer Produzenten lebt und die sich dabei wenig um herkömmliche Medienformate kümmern.
WeMedia ist deshalb längst kein (reiner) Hype mehr, sondern existiert in den unterschiedlichsten Facetten längst. Manchmal werden Blogs nur von 15 Personen gelesen, manchmal von Zigtausenden. In ihrer Vernetzung liegt die Kraft der Blogs, die das im Netz vorhandene Wissen durch Verlinkung sichtbarer macht. Von diesem Web 2.0 profitieren im Übrigen Medienformate wie SZ Online am meisten, weil sie von Bloggern sehr oft verlinkt werden, auch wenn dort manchmal ebenfalls rhythmische Gesänge angestimmt werden...
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