Die Reaktionen auf seine Bloggerbeschimpfung scheinen den Werber Jean-Remy von Matt doch ein wenig überrascht zu haben und naturgemäß wenig zu freuen. Kein Wunder, denn wer unter Google nach Jean-Remy von Matt sucht, erhält unter den ersten zehn Treffern folgende Ergebnisse:
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- LostFocus: Jean-Remy von Matt und die Klowände
- Alexander Korte: Erst Jamba, jetzt Jean-Remy von Matt
- Alexander Korte: Du bist Jean-Remy von Matt
In einem Entschuldigungsschreiben an Blogger wie Thomas Knüwer und Jens Scholz hat er jetzt in relativ kurzer Zeit Stellung zu seinem PR-Gau bezogen, in dem er darin um Verständnis für seine nicht für die Öffentlichkeit formulierten Worte wirbt:
"Liebe Blogger,
meine Mutter hat mir noch mehr beigebracht. Zum Beispiel: Wer einen Fehler macht, sollte sich entschuldigen. Oder auch: Wer austeilt muss auch einstecken können.
Aber zunächst zu mir und meiner Entschuldigung: Es ist mir sowohl klar, dass es das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gibt, als auch, wie wichtig dieses Recht ist. Es ist mir insbesondere klar, wie viel die Weblogs für die Verwirklichung dieses Rechts tun - vor allem in Ländern, wo Meinungsfreiheit nicht selbstverständlich ist.Insofern tut es mir leid, dass ich dieses Recht unbedacht in Frage gestellt habe. Ich hatte mich halt aufgeregt! Und eine Mail an meine Mitarbeiter geschrieben, die durch die berechtigte oder unberechtigte Kritik an einer Kampagne, an der sie monatelang hart gearbeitet haben, verunsichert waren und Zuspruch verdient hatten. Vielleicht klang auch etwas Neid auf Euch durch, da die Form von Meinungsäußerung, die ich als Werbetexter seit über 30 Jahren betreibe, alles andere als frei ist: Jedes Wort wird vor der Veröffentlichung lange abgewogen, mit Auftraggebern verhandelt und dann noch repräsentativ auf seine Wirkung getestet.
Aber! Auch wenn die meiste Kritik an meinem Text konstruktiv und ernsthaft war, empfinde ich es als kommunikativen Hausfriedensbruch, dass eine interne Mail wie eine Sau durchs Dorf "Kleinbloggersheim" getrieben wird.
Sollte es neben der Freiheit, eine Meinung zu verbreiten, nicht auch die Freiheit geben, eine Meinung nicht verbreitet zu wissen? Gilt beim Artikel fünf des Grundgesetzes nur Absatz eins, der das Recht auf Meinungsfreiheit definiert, und nicht Absatz zwei, der dieses Recht einschränkt, wenn die persönliche Ehre verletzt wird?
Kennt die Blogosphäre etwa keine Privatsphäre?Viele von Euch schreiben, ich hätte mit meiner Mail ein Eigentor geschossen. Okay, eins vielleicht. Aber wie viele Eigentore schießt ihr gerade, indem Ihr mein Schlagwort "Klowände des Internets" teils empört, teils genüsslich aufgreift im Sinne eines Agenda Setting verbreitet? Bei Technorati.com war der Suchbegriff zeitweise auf Platz 3!
Die Klowand-Debatte erinnert mich übrigens an Münteferings Heuschrecken-Debatte: In beiden Fällen gab es Kritik, dass ein Sachverhalt mit einem plakativen Bild unzulässig verallgemeinert wurde.Die Heuschrecken waren ein Symbol für das Abgrasen und Weiterziehen. Die Klowände sind ein Symbol für das Anpinkeln und Verpissen - für Meinungsäußerung im Schutz der Anonymität.
Natürlich haben viele Investoren ethisch einwandfreie Ziele. Und natürlich haben viele Weblogs einen ernsthaften Ansatz. So haben mich die meisten Eurer Beiträge sehr inspiriert und mir die virale Kraft dieser Medienform bewusst gemacht. Vergesst aber nicht, dass auch die Kommentare den Content eines Weblogs bestimmen. Und vor allem dort habe ich einiges gefunden, was meinem Vorurteil neuen Schub gab: Leute, das war teilweise unterste Klowand!
Aber wie sagte noch mal meine Mutter: Wer austeilt, muss auch einstecken können. Euer Jean-Remy von Matt" (zitiert nach Jens Scholz)
Als erster Schritt zur Schadensbegrenzung ist das Schreiben an einige ausgewählte Blogger gar nicht einmal schlecht und war sogar in seiner Wirkung erfolgreich. Dabei vermittelt das Schreiben selbst nicht unbedingt den Eindruck einer wirklichen Einsichtigkeit, sondern zeigt auch die Unzufriedenheit mit der öffentlichen Auseinandersetzung, die er so sicherlich nicht gewollt hat und schnell zu stoppen versucht - was auch völlig legitim ist. Jens Scholz glaubt, das die Diskussion durch den offenen Brief erneut entzündet werden könnte. Eine Entschuldigung sieht eigentlich auch anders aus und endet nicht in einem Vorwurf: "das war teilweise unterste Klowand", selbst wenn dieser sogar in gewisser Weise berechtigt sein sollte. Jens Scholz stößt an der Entschuldigung besonders negativ auf:
"Der erste anonyme Beitrag kam aus Ihrem Hause (und war mit meinem Namen unterschrieben, daher wurde er gelöscht). Ebenso der zweite und der dritte. Nur um mal zu erwähnen wo Sie da sitzen, wenn Sie solche Sprüche kloppen: Die größte Pissnelke sitzt in Ihrem eigenen Glashaus."
Insgesamt scheinen die Reaktionen auf Jean-Remy von Matts Schreiben
dennoch eher positiv zu sein. Viele Blogger fühlen sich durch die
direkte Reaktion ernst genommen und halten die Tatsache, dass ein
bekannter Werber auf die Blogkritik überhaupt eingeht schon allein für
verdienstvoll. Das nötigt vielen Respekt ab. Dabei sieht eine kreative
Auseinandersetzung mit der Kritik eigentlich anders aus. Wie sich das
Issue "Klowände" jedoch weiterentwickelt, hängt letztlich von der
weiteren Kommunikationspolitik des Hauses Jung von Matt ab. Solange die
negativen Meinungen in der Blogosphere überwiegen, dürfte es schwierig
sein, den ersten äußeren Eindruck der Suchmaschinenergebnisse zu
widerlegen. Aber ein guter Anfang ist trotz aller Nebenklänge in der
Entschuldigung durchaus gemacht. Interessanterweise konnte Jean-Remy
von Matt mit der gezielten Adressierung einiger Blogger bereits sehr
viel erreichen. Anerkennung und Respekt für diesen Schritt überwiegen
(noch?) und verbreiten sich zurzeit rasant im Netz.
>> Diskussionen um Jean-Remy von Matts Entschuldigung 1 - 2
>> Site 9 Weblog: Jean-Remy von Matt: "Wer austeilt muss auch einstecken können"
>> Robert Basic: Jean-Remy von Matt zeigt Charakter
>> Telepolis: Ungefragte Meinungsäußerungen von Undankbaren
Klaus Eck, econcon