Lidl hat spätestens seit dem Schwarzbuch Lidl, in dem die Gewerkschaft ver.di schlechte Arbeitsbedingungen des Discounters anprangert, ein kleines PR-Problem. Die Gewerkschaft hat das Thema handwerklich in vorbildlichem Anti-Campaiging initiiert, begleitet unter anderem durch ein Watchblog, in dem neben den Gewerkschaftern auch Mitarbeiter und Ehemalige von Lidl ihre Erlebnisse mit dem Discounter als Arbeitgeber schildern.
Dass Discounter mit Nicht-PR sehr gut fahren können, beweist seit jeher Konkurrent Aldi, der trotz jeder Medien-Verweigerung zu den angesehendsten Marken in Deutschland zählt. Doch ausgerechnet Lidl, lange Zeit ebenfalls PR-Verweigerer, hatte unter dem Beschuss ein bisschen Glasnost eingeläutet und war zaghaft auf die Öffentlichkeit zugegangen. Nix war's: Eine geplante Pressekonferenz wurde wieder abgesagt, und eine Werbeagentur zieht sich nach einem Bericht der FTD aus dem Rennen um Lidls erste Fernsehkampagne zurück:
"In Kreisen der Agentur heißt es, Lidl habe im Laufe des Auswahlprozesses den Preis so massiv drücken wollen, dass die Zusammenarbeit nicht mehr wirtschaftlich sei. Wenn man kostenlos arbeiten wolle, "dann lieber für Amnesty International", so ein Mitarbeiter. Auch Economia-Geschäftsführer Albers bezeichnet die von Lidl geforderten Konditionen als nicht haltbar: "Hier sind wir auf eine Praxis gestoßen, die wir - bei allem Respekt - nicht teilen wollen.""
Bestimmt wird Lidl dennoch eine Agentur finden. Doch vielleicht kommen ja irgendwann Zeiten, in denen allzu rüdes Verhalten von Unternehmen auf zunehmende öffentliche Kritik stößt. Ein anderer Wettbewerber - Walmart - bekommt gerade einen leisen Vorgeschmack davon: Er hatte nach Medienberichten (z.B. in Focus online oder in der FTD) den Februar-Gehaltsabrechnungen seiner deutschen Mitarbeiter Verhaltensregeln beilegt. Unter dem Label "ethisches Verhalten" wird demnach auf 28 Seiten festgelegt, was Mitarbeiter dürfen und was nicht. Und die Mitarbeiter sollen doch bitteschön Kollegen denunzieren, die sich nicht an die Regeln halten - sonst droht gleich die eigene Kündigung.
Bemerkenswerte kleine Geschichten, die wohl kaum Einfluss auf die Umsätze der Handelsriesen haben werden. Denn solange Lidl, Aldi & Co billig sind, wird bei ihnen eingekauft. Und bei 5,2 Millionen Arbeitslosen kann sich kaum jemand erlauben, dort nicht arbeiten zu wollen. Doch dass gegängelte Mitarbeiter keine dauerhaft motivierte Mitarbeiter sind, ist eine Binsenweisheit - und da stecken langfristig die Umsatzrisiken.
Kleiner PR-Gag am Rande: Die Partneragentur ElitePartner.de versucht von der Walmart-Story zu profitieren und bietet Walmart-Mitarbeitern, denen Verliebtsein am Arbeitsplatz zum Verhängnis werden kann, per Pressemitteilung Sonderkonditionen an:
"Damit es in den Herzen der Walmart-Mitarbeiter nicht bald so kalt ist wie in der Tiefkühlabteilung ihres Arbeitgebers bietet ElitePartner.de den Walmart-Mitarbeitern Probemitgliedschaften an."
Übrigens ein Angebot, das auch nicht gerade durch Transparenz glänzt: Die genauen Konditionen wurden nicht publiziert.